
BGH zur SCHUFA-Meldung: Kein Strafschadensersatz bei DSGVO-Verstoß
Am 28.01.2025 bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH), Az. VI ZR 183/22, im Ergebnis ein Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz, das einer Verbraucherin einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 500 Euro gegen ein Telekommunikationsunternehmen wegen eines SCHUFA-Eintrags zusprach, der angewiesen wurde, obwohl die zugrundeliegende Forderung streitig war.
A. Sachverhalt
Ausgangspunkt des Rechtsstreits waren wechselseitig geltend gemachte Ansprüche aus einem Mobilfunkvertrag, den die Verbraucherin widerrufen hatte. Gleichwohl stellte das beklagte Telekommunikationsunternehmen auch nach dem erklärten Widerruf weiterhin Forderungen aus dem Vertrag und verlangte deren Begleichung. Die Verbraucherin verweigerte die Zahlung unter Verweis auf den wirksamen Vertragswiderruf. In der Folge veranlasste das Unternehmen die Übermittlung eines negativen SCHUFA-Eintrags aufgrund der ausstehenden Zahlungen.
B. Instanzrechtsprechung
Das Telekommunikationsunternehmen machte im Wege der Klage einen Betrag in Höhe von 542 Euro aus dem – seiner Auffassung nach fortbestehenden – Vertragsverhältnis geltend. Die Beklagte erhob Widerklage und verlangte immateriellen Schadensersatz in Höhe von 6.000 Euro gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO wegen der unrechtmäßigen Datenübermittlung an die SCHUFA.
Das erstinstanzliche Gericht gab der Klage in vollem Umfang statt und wies die Widerklage vollständig ab. Im Berufungsverfahren hob das OLG Koblenz das erstinstanzliche Urteil insoweit auf, als es um die Zahlungsklage ging, und verurteilte das Unternehmen zur Zahlung eines immateriellen Schadensersatzes in Höhe von 500 Euro.
Das OLG stellte klar, dass dem Telekommunikationsunternehmen nach dem erklärten Widerruf die vertragliche Grundlage für seine Forderungen fehlte. Zudem verletzte das Unternehmen seine datenschutzrechtlichen Pflichten aus Art. 5 und Art. 6 i. V. m. Art. 4 Nr. 2 DSGVO, indem es „eine Datenmitteilung an die SCHUFA … vornahm, obwohl die Interessen der Beklagten an einer Nichtveröffentlichung ihrer Daten hinsichtlich der zwischen den Parteien noch in Streit stehenden Forderung das Interesse der Klägerin an einer Mitteilung überwog“.
Zum Zeitpunkt der Datenweitergabe seien die zugrunde liegenden Forderungen weder unstreitig noch rechtskräftig tituliert gewesen, weshalb die Übermittlung einer Eilmeldung nicht hätte erfolgen dürfen.
Das Gericht folgte dem Vortrag der Beklagten, wonach die Weitergabe der personenbezogenen Daten geeignet sei, ihre Kreditwürdigkeit erheblich zu beeinträchtigen und ihre wirtschaftliche Handlungsfähigkeit, insbesondere beim Abschluss von Internetgeschäften oder der Aufnahme von Krediten, nachhaltig zu erschweren.
Bereits die abstrakte Möglichkeit der Beeinträchtigung reichte dem OLG aus, um einen immateriellen Schaden anzunehmen. Es stellte fest, dass die potenziellen Schwierigkeiten bei der wirtschaftlichen Teilhabe im digitalen Raum für die Annahme eines immateriellen Schadens genügten. Darüber hinaus sei die Eilmeldung und die daraus resultierende Nutzbarkeit der Daten für die Darlegung eines immateriellen Schadens ausreichend und es komme nicht auf die „durch die betroffene Person kaum nachweisbare […] Nutzung der eingetragenen Daten zu ihrem Nachteil“ an. Auch habe der erfolgte SCHUFA-Eintrag zu einer sozialen Stigmatisierung der Beklagten als vermeintlich zahlungsunwillige oder -unfähige Kundin geführt.
Diese Umstände zusammengenommen stellte das OLG als Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar, welche „zweifellos als immaterieller Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO anzusehen und im Rahmen des immateriellen Schadensersatzanspruches auszugleichen ist“.
Bei der Bemessung der Schadenshöhe hielt das OLG einen Betrag von 500 Euro für angemessen, um sowohl der Ausgleichs- und Genugtuungsfunktion als auch der generalpräventiven Wirkung des Schadensersatzes gerecht zu werden. Es berücksichtigte hierbei insbesondere die Schwere, Dauer und den Kontext des Datenschutzverstoßes sowie die mit ihm verbundenen möglichen Konsequenzen.
C. Entscheidung des BGH
Die Beklagte legte gegen das Berufungsurteil Revision ein mit dem Ziel, eine höhere Entschädigung zu erlangen. Der BGH bestätigte zwar die Zuerkennung eines Schadensersatzes in Höhe von 500 Euro, beanstandete jedoch einzelne rechtliche Erwägungen des Berufungsgerichts.
In Anlehnung an die laufende Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) stellte der BGH klar, dass dem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DSGVO lediglich eine Ausgleichsfunktion zukommt und nicht wie vom Berufungsgericht angenommen eine Abschreckungs- oder gar Straffunktion. Insbesondere sei es unzulässig, bei der Bemessung des immateriellen Schadensersatzes Aspekte wie die Schwere des Datenschutzverstoßes oder ein etwaiges Verschulden des Verantwortlichen zu berücksichtigen.
Weiter führte der BGH aus, dass die Beklagte keine konkreten Anhaltspunkte für eine unzureichende Kompensation durch die zugesprochenen 500 Euro vorgetragen habe und ein weitergehender Schaden daher nicht feststellbar sei.
Da allein die Beklagte Revision eingelegt hatte, blieb die Entscheidung über die Höhe des Schadensersatzes unangetastet. Mangels Revision der Klägerin war der BGH daran gehindert, den Betrag nach unten zu korrigieren, obwohl das Berufungsgericht insoweit rechtsfehlerhaft argumentiert hatte.
D. Bewertung und Fazit
Mit dem Urteil bestätigt der BGH erneut die Rechtsprechung des EuGH, dass der Anspruch aus Art. 82 DSGVO lediglich dem Ausgleich konkret erlittener Schäden dient und damit weder eine Abschreckungs- noch Straffunktion innehat. Faktoren wie die Schwere des Verstoßes und das Maß der Schuld dürfen ebenfalls nicht in die Bemessung einfließen.
Zugleich illustriert das Urteil exemplarisch die Schwierigkeiten, die mit der Bestimmung eines konkret entstandenen immateriellen Schadens durch die Betroffenen einhergehen.
Für die Unternehmenspraxis bedeutet das Urteil, dass Unternehmen seitens der Gerichte – wenn diese sich dem BGH mit seiner Bagatellisierung einer unberechtigten SCHUFA-Meldung anschließen – sich zukünftig keinen höheren Schadenersatzansprüchen ausgesetzt sehen werden.
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